Vertrieb rechtsextremistischer Produkte
Die rechtsextremistische Vertriebsszene hat ihren Ursprung in der Skinheadszene, die als Jugendsubkultur in den 1980er und 1990er-Jahren u. a. eine starke Nachfrage nach eigenen Musikstilen aufwies, welche damals im kommerziellen Handel nicht erhältlich waren. Die entstandenen Unternehmen richteten ihr Sortiment daher an den Bedürfnissen dieser Subkultur aus. So wurden und werden Textilien mit szenetypischen Aufdrucken (z. B. »I ❤ HTLR«, »Adolf war der Beste«), Tonträger rechtsextremistischer Bands bzw. Liedermacher sowie andere szenerelevante Utensilien, wie z. B. Anstecker, Fahnen, Aufkleber und Plakate angeboten. Diese werden häufig mit rechtsextremistischen Symbolen gestaltet.
Im Unterschied zu Vertrieben, deren Angebote überwiegend auf die Interessen der Subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene ausgerichtet sind, spricht das Sortiment einiger Unternehmen wiederum ausdrücklich die Neonationalsozialistische Szene an. Das Produktangebot dieser Vertriebe beinhaltet demnach größtenteils Publikationen bzw. Artikel mit explizit positivem Bezug zur Zeit des Nationalsozialismus.
Um den kommerziellen Erfolg ihrer Tonträger nicht zu gefährden, sind die Produzenten in Bezug auf Liedtexte und CD-Gestaltung bestrebt, nicht gegen straf- und jugendschutzrechtliche Vorschriften zu verstoßen. So lassen sie Tonträger vor der Veröffentlichung häufig juristisch prüfen und entsprechende Gutachten erstellen. Jedoch entschied der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit im Falle eines damals bedeutenden Produzenten rechtsextremistischer Musik, dass von szenenahen Anwälten erstellte »Gefälligkeitsgutachten« keinen Freibrief darstellen und nicht vor strafrechtlicher Verfolgung schützen. In indizierten Tonträgern sind demnach gewaltbefürwortende und fremdenfeindlich/ rassistisch geprägte Aussagen zu finden. Darüber hinaus enthalten Textpassagen oft einen positiven Bezug zur Zeit des Nationalsozialismus. So werden darin beispielsweise Institutionen und Funktionsträger dieser Zeit glorifiziert.
Seit 2004 – damals existierten noch 22 Unternehmen – konnte ein permanenter Rückgang rechtsextremistischer Vertriebsunternehmen im Freistaat Sachsen festgestellt werden. Wesentliche Strukturveränderungen konnten im Jahr 2024 nicht festgestellt werden.
Neben den bekannten Musiklabels Feindkontakt Produktion und PC Records hat sich in Ostsachsen mit NDS Records eine dritte rechtsextremistische Vertriebsorganisation in Sachsen etabliert, die selbst Tonträger produziert. Akteure von NDS Records weisen Bezüge zur Identitären Bewegung auf. Während die beiden zuerst genannten Labels auf die Subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene ausgerichtet sind, war das Zielpublikum von NDS Records anfangs eher im Spektrum der »Neuen Rechten« (z. B. Identitäre Bewegung) zu finden. Seit 2023 kann anhand der Musikproduktionen und der Zusammenarbeit des Labels mit anderen rechtsextremistischen Strukturen bzw. Personen festgestellt werden, dass das Angebot nunmehr auch auf die Subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene ausgerichtet ist. Das Spektrum der im Label mitwirkenden Interpreten verdeutlicht, dass sich NDS Records zunehmend als eine Art Brücke zwischen dem klassisch rechtsextremistischen Spektrum und der »Neuen Rechten« etablieren will.
Im Berichtsjahr zeigten insgesamt neun rechtsextremistische Vertriebe und zwei Verlage eine erkennbare Handelstätigkeit, wobei der Vertrieb Sachsen-Versand (Chemnitz) zur Partei Freie Sachsen gehört und der Vertrieb Frontdienst (Riesa) ein Materialvertrieb der Jungen Nationalisten ist.
| Name | PC-RECORDS |
|---|---|
| Typ | gewerbliches Vertriebsunternehmen mit Ladengeschäft, Online-Versand und Tonträger-Label |
| Sitz bzw. Herkunft | Chemnitz |
| aktiv seit | 2000 |
| Sortiment |
mit rechtsextremistischem Liedgut bespielte Tonträger, mit rechtsextremistischen Symbolen oder Losungen bedruckte Textilien sowie weitere szenetypische Materialien |
Der Vertrieb PC Records, der aus einem Ladengeschäft, einem Internet-Versand und einem Tonträger- Label besteht, ist in Sachsen der bedeutendste Produzent für rechtsextremistische Musikgruppen. Durchschnittlich stellt dieses Unternehmen etwa 20 neue Tonträger sowie Re-Editionen pro Jahr her. Für das Berichtsjahr konnten 19 Produktionen festgestellt werden. Rund 400 Tonträger produzierte dieses Unternehmen bisher. Von diesen Produktionen hat die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) 94 Tonträger sowie zwei Filmproduktionen indiziert. Im Jahr 2024 traf die Indizierung den 2021 vom Unternehmen produzierten Tonträger »Überlebenskampf« der Band »Blutrein«. Dieser enthält nach der Beurteilung der BzKJ mehrere Titel, die den Nationalsozialismus verherrlichen, ein Titel heizt zudem zum Rassenhass an.
Das von PC Records produzierte Sortiment umfasst vereinzelte Tonträger von Bands aus Sachsen, Werke von Musikgruppen aus anderen Ländern sowie Produktionen renommierter rechtsextremistischer Musikgruppen aus dem Ausland. So produzierte der Vertrieb im Jahr 2024 u. a. die Alben »No Need To Apologize« der finnischen Band »Mistreat«, »No Regrets« der Band »London Breed« und »A Tribute to Peggior Amico« von »Bronson« aus Italien.
Neben dem Internetshop für frei verkäufliche Tonträger werden von PC Records auf einer separaten Internetseite unter der Bezeichnung »Hits vom Index« auch indizierte Produktionen angeboten. Durch die Produktion neuer Tonträger unterstützt PC Records aktiv die rechtsextremistische Szene. Im Jahr 2024 erschien bei PC Records zum Beispiel die sechste Auflage eines »Solidaritätssamplers« anlässlich des Kampfes »einiger Projekte & Freunde« gegen »Repressionen, sei es durch Behörden, Gerichte oder andere staatliche Organisation«. Auch durch die Förderung und Organisation beispielsweise von Konzerten leistet dieser Vertrieb einen wesentlichen Beitrag zur Aufrechterhaltung einer aktiven rechtsextremistischen Szene im Freistaat Sachsen.
Allerdings hat der Vertrieb offenbar mit einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld zu kämpfen. Ein Mitarbeiter von PC Records, der sich in einem Interview Anfang September auch als »Gesicht und Chef« des Vertriebes bezeichnete, führte im Internet zur aktuellen Situation aus, dass man allein von der Produktion von Tonträgern nicht leben könne. Die Kosten für die Produktion stiegen immer weiter an bei gleichzeitig sinkenden Verkaufszahlen. »Ich sag‘ mal 90 Prozent der Künstler, der Mainstream Künstler, die verdienen ihre Kohle mit den Konzerten. Da wird Geld verdient und nicht mit den CDs«. Es fehle der Szene jedoch an Konzertobjekten. Kurze Zeit später verkündete der Vertrieb in einer Videobotschaft in den sozialen Medien, dass »nach über 20 Jahren« wegen gestiegener Kosten die Preise angehoben werden müssten.
Um den Verkauf voranzutreiben, organisierte der Vertrieb im Jahr 2024 zwei Verkaufsveranstaltungen in Chemnitz. Sowohl anlässlich des »Sonderverkaufs« am 8. Juni als auch beim »Weihnachtsverkauf« am 7. Dezember präsentierten neben PC Records weitere Vertriebe und Textilmarken ihre Produkte.
| Name |
FEINDKONTAKT PRODUKTION |
|---|---|
| Typ | gewerbliches Vertriebsunternehmen mit Online-Versand und Tonträger-Label |
| Sitz bzw. Herkunft / Inhaber | Lengenfeld (Vogtlandkreis) |
| aktiv seit | 2015 |
| Sortiment | mit rechtsextremistischem Liedgut bespielte Tonträger eigener und fremder Produktion, Textilien mit Werbeaufdruck für rechtsextremistische Bands sowie weitere szenetypische Materialien |
Das Vertriebsunternehmen aus Lengenfeld (Vogtlandkreis) hat im Gegensatz zu PC Records ausschließlich
regionale Bedeutung. Es produziert zudem jährlich nur wenige Tonträger für die rechtsextremistische
Szene, so beispielsweise im Berichtsjahr insgesamt drei Stück als CD bzw. LP. Das
Onlineangebot des Unternehmens umfasst ein dementsprechendes Angebot.
| Name | NDS RECORDS |
|---|---|
| Typ | gewerbliches Vertriebsunternehmen mit Online-Versand und Tonträger-Label |
| Sitz bzw. Herkunft / Inhaber | Steinigtwolmsdorf OT Weifa (Landkreis Bautzen) |
| aktiv seit | 2021 |
| Sortiment | Tonträger eigener Produktion, Textilien mit Werbeaufdruck für das eigene Label |
Mit dem Umzug des Rappers Prototyp, der sich inzwischen nur noch Proto nennt, nach Sachsen etablierte sich hierzulande ein Musikstil, der innerhalb der rechtsextremistischen Szene im Freistaat bisher nicht festgestellt werden konnte und der insbesondere auch junge Menschen anspricht. Abweichend von der klassischen rechtsextremistischen Musikszene, die seit Jahren auf die Produktion und den Vertrieb von Tonträgern wie CDs, Schallplatten oder (eher selten) Kassetten setzt, sind die Musiker von NDS Records überwiegend online aktiv. Auf Telegram-, Facebook-, YouTube- und Instagram-Kanälen werben die Musiker für ihre Produktionen. Sie produzieren begleitend zu ihren Alben Musikvideos, die über besagte Portale abrufbar sind, und bieten ihre Musik auch bei namhaften Online-Musikanbietern zum kostenpflichtigen Download an. Dadurch erzielen sie eine größere Reichweite.
Zum engsten musikalischen Kreis gehört neben dem Geschäftsführer Proto der Musiker Kavalier. Beide kannten sich aus der Zeit politischer Aktivitäten in Nordrhein-Westfalen und haben einen Bezug zur Identitären Bewegung. Die Rapperin Alva wirkte bis zum Sommer 2024 im Label mit, hat sich jedoch vom Unternehmen getrennt und ihren Wohnsitz in ein anderes Bundesland verlegt.
Neben den beiden oben genannten Musikern wirken zudem der rechtsextremistische Rapper Makss Damage (Thüringen) sowie zwei Musiker aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachen bei Musikproduktionen des Labels mit. Zudem nutzt NDS Records bei verschiedenen Musikvideos Mitglieder bzw. Anhänger regionaler rechtsextremistischer Gruppierungen, wie beispielsweise der Partei Der Dritte Weg oder der Elblandrevolte als Statisten.
NDS Records produzierte im Jahr 2024 die Tonträger »Staatsfeind«, »Einer von uns«, »Flächenbrand« sowie »Krawalna«. Zudem veröffentlichte das Label auf YouTube 22 Musikvideos.
Darüber hinaus traten Musiker des Labels im Berichtsjahr auf sog. »Abschiebehauptmeisterpartys« live auf. Hintergrund und Namensgeber dieser Veranstaltung ist ein fremdenfeindliches Musikvideo des Labels von April mit der Bezeichnung »Abschiebehauptmeister«. Im Freistaat Sachsen veranstaltete NDS Records am 28. Juni 2024 in Coswig eine »Abschiebehauptmeisterparty« mit 152 Teilnehmern. Da das genutzte Objekt nicht für derartige Veranstaltungen zugelassen war, löste die Polizei diese Veranstaltung auf.
Den vom Label produzierten Tonträger »Neuer Deutscher Standard Sampler I« indizierte die »Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz« (BzKJ). Er enthält nach Einschätzung dieser Institution mehrere Titel, welche die NS-Ideologie verherrlichen, Frauen und homosexuelle Menschen diskriminieren und zum Rassenhass anreizen.
| Name | NATION UND WISSEN |
|---|---|
| Typ | Verlag mit angeschlossenem Vertrieb |
| Sitz bzw. Herkunft / Inhaber | Riesa (Landkreis Meißen) |
| aktiv seit | 2011 |
| Sortiment | umfangreiches Büchersortiment insbesondere mit Bezug zur Zeit des Nationalsozialismus; Tonträger von rechtsextremistischen Musikgruppen |
Mit dem der Partei Die Heimat zuzurechnenden Deutsche Stimme Verlag und dem Verlag Nation und Wissen existieren im Freistaat Sachsen zwei rechtsextremistische Verlage. Während sich der Deutsche Stimme Verlag überwiegend mit der Erstellung des Parteiorgans Deutsche Stimme befasst, produziert der Verlag Nation und Wissen u. a. zahlreiche Bücher, die inhaltliche Bezüge zur Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges aufweisen. Diese Bücher werden über den angeschlossenen Online-Vertrieb zum Kauf angeboten.