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Subkulturell geprägtes sowie unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial

Sitz

sachsenweit; Schwerpunkte in der Region Chemnitz (u. a. Chemnitz Revolte) und in den Landkreisen Bautzen und Görlitz (u. a. Brigade 8 Chapter Schlesien, Schlesische Jungs Niesky, Nationaler Jugendblock e. V. Zittau, Jugendblock Bautzen, Urbs Turrium sowie rechtsextremistische Fußballanhänger)

Gründung/Bestehen

Die Szene ging aus der Ende der 1960er-Jahre in Großbritannien entstandenen Skinheadszene hervor und breitete sich in den 1970er-Jahren bundesweit auch in Deutschland aus.

Publikationen bundesweit: sog. Fanzines mit Artikeln zur überwiegend subkulturell geprägten rechtsextremistischen Musikszene sowie mit Interviews und Konzertberichten
Internetauftritte

Wechselnde Internetseiten, Blogs, Profile in sozialen Netzwerken und Kurznachrichtendiensten; dort u. a. Bekanntmachungen von Konzerten sowie Veröffentlichungen von Videos

Finanzierung Finanzielle Beiträge der Anhänger, Eintrittsgelder bei Musikveranstaltungen, Vermarktung und Verkauf rechtsextremistischer Devotionalien wie T-Shirts o. Ä.
Kurzporträt/Ziele

Eine strategisch ausgerichtete, ideologisch-politische Arbeit wird von Subkulturell geprägten rechtsextremistischen Grupp ierungen nicht betrieben. Gewaltbereitschaft, Kurzschlussreaktionen und impulsgesteuertes Handeln sind für diese Szene charakteristisch.

Relevante Ereignisse und Entwicklungen 2024

Mit Protesten gegen »Christopher Street Day« – Veranstaltungen traten insbesondere aktionsorientierte und junge Angehörige der Subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene verstärkt in Erscheinung. Ein Anschluss an eine breite Öffentlichkeit und die gesellschaftliche Mitte konnte mit den Protesten jedoch nicht erreicht werden. Ferner war mit unterschiedlicher lokaler Ausprägung eine regelmäßige Teilnahme von Angehörigen der Subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene am wöchentlichen Protestgeschehen festzustellen, z. B. in Bautzen (Landkreis Bautzen) und Görlitz (Landkreis Görlitz).

 

Das subkulturell geprägte sowie unstrukturierte rechtsextremistische Personenpotenzial teilt die ideologischen Überzeugungen von NEONATIONALSOZIALISTEN. Es verfügt über ein ähnliches von Chauvinismus, Antisemitismus, Fremdenhass sowie Rassismus geprägtes Weltbild. Dennoch unterscheidet es sich von Neonationalsozialisten durch die Schwerpunktsetzung auf erlebnisorientierte Veranstaltungen, bei denen nicht die ideologische Propaganda oder die strategische Verfolgung politischer Ziele im Vordergrund stehen, sondern die Erfahrung von gelebter »Gemeinschaft« unter Gleichgesinnten. Das subkulturell geprägte sowie unstrukturierte rechtsextremistische Personenpotenzial stellt sich dabei als Mischszene dar und dient den Neonationalsozialisten als »Rekrutierungsmasse« zur Verbreitung ihrer Ideologieelemente.

Da diese Personen nicht an ideologischer Vertiefung interessiert sind, beteiligen sie sich weder an politischen Strategiedebatten noch an der Erarbeitung entsprechender Konzepte oder der Verbreitung ausgearbeiteter Stellungnahmen.

Anders als Neonationalsozialisten streben sie keine Wirkung außerhalb der rechtsextremistischen Szene an. Im Vordergrund steht das tägliche, eher unreflektierte Erleben und Ausleben ihrer Gesinnung.

Dieser Teil der rechtsextremistischen Szene bildet nicht nur die unverzichtbare »Mobilisierungsmasse« für Veranstaltungen anderer rechtsextremistischer, auch strukturierter Gruppierungen bzw. rechtsextremistischer Kampagnen, sondern dient auch als Nährboden für die Bildung neuer Gruppierungen.

Die Personen handeln impulsiv, situativ bedingt und spontan. So gingen bei den größeren Ereignissen der vergangenen Jahre die Konfrontationen und Gewalttaten beispielsweise gegen Polizisten oder den politischen Gegner zumeist von diesem Personenpotenzial aus.

Das subkulturell geprägte sowie unstrukturierte rechtsextremistische Personenpotenzial umfasste zu ca. 90 Prozent Personen, die dem weitgehend unstrukturierten rechtsextremistischen Personenpotenzial zugeordnet werden. Damit ist ein erheblicher Teil der dem LfV Sachsen bekannten Rechtsextremisten in Sachsen nicht in Parteien oder anderweitigen Strukturen eingebunden, sondern agiert trotz seiner rechtsextremistischen Gesinnung losgelöst von festen Szenegruppierungen.

Die Subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene weist nicht nur deutliche Bezüge zur rechtsextremistischen Kampfsportszene auf. Ihr werden auch rechtsextremistische Fußballanhänger zugeordnet. Sie sind vor allem in den Großstädten, aber auch in den Landkreisen Bautzen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Leipzig, Nordsachsen, Zwickau und im Erzgebirgskreis ansässig. Die Bildung und Auflösung von rechtsextremistischen Fußballanhängergruppierungen verläuft dem Grundcharakter der Subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene entsprechend sehr dynamisch: In der Vergangenheit aktive Gruppierungen traten im Jahr 2024 nicht mehr in Erscheinung. Zumeist blieb jedoch das hinter den Gruppierungen stehende Personenpotenzial erhalten und agierte auch weiter gemeinsam.

Daneben bilden rockerähnliche Strukturen, die vor allem in Ostsachsen beheimatet sind, eine weitere relevante Unterart der Subkulturell geprägten Rechtsextremisten. In Bruderschaften ahmen Rechtsextremisten den klassischen Rocker-Lifestyle nach. Mitglieder tragen bei Szeneveranstaltungen Lederwesten mit entsprechenden Symbolen und Schriftzügen (»Kutten«). Häufig werden die hierarchischen Strukturen der Rocker-Clubs übernommen. Gemeinsam ist allen rechtsextremistischen Bruderschaften, dass sie gemeinschaftliche, öffentliche Auftritte eher meiden. Kutten und sonstige Erkennungsmerkmale werden insbesondere bei internen Veranstaltungen und Konzerten getragen. Auf öffentliche Machtdemonstrationen wird für gewöhnlich verzichtet. Dies mag zum einen daran liegen, dass es den Gruppierungen in Sachsen schlichtweg an »Masse« mangelt. Zum anderen treibt die rechtsextremistischen Bruderschaften die Sorge um, durch ihre Uniformierung zu leicht als »Verein« identifiziert und damit Gegenstand vereinsrechtlicher Exekutivmaßnahmen zu werden. Herausragende Vertreter sind das Chapter der Brigade 8 in Mücka (Landkreis Görlitz) und die Eastside Rowdys aus Leipzig.

Darüber hinaus ist das subkulturell geprägte sowie unstrukturierte rechtsextremistische Personenpotenzial hinsichtlich seiner Größe und der damit verbundenen Kaufkraft ein wichtiger Abnehmer für die rechtsextremistische Konzert- und Vertriebsszene. Es bildet das Gros der Konzertteilnehmer und Konsumenten rechtsextremistischer Merchandising-Artikel und lenkt durch sein Nachfrageverhalten auch die Ausrichtung des Angebotes rechtsextremistischer Vertriebe.48 Damit leistet die Szene selbst einen essentiellen Beitrag zur Finanzierung ihrer Strukturen.

Die Strukturbildungsprozesse verlaufen sehr unterschiedlich: Ergibt sich die Notwendigkeit, unter einem klaren »Label« aufzutreten, strukturiert sich die Szene etwas fester, besteht hierfür kein dringender Bedarf mehr, verfallen die gebildeten Strukturen wieder in Inaktivität. Eine wichtige Rolle spielen neben bestehenden Kennverhältnissen das Vorhandensein geeigneten Führungspersonals, einer Treffgelegenheit sowie regelmäßig wiederkehrende Ereignisse, die die beteiligten Personen immer wieder zusammenführen.

Im Freistaat Sachsen waren in diesem Zusammenhang folgende extremistische Bestrebungen im Berichtsjahr aktiv:

  • Brigade 8 Chapter Schlesien
  • Nationaler Jugendblock e. V. Zittau
  • Schlesische Jungs Niesky
  • Jugendblock Bautzen
  • Urbs Turrium
  • Aryan People Resistance
  • SN Sachsen
  • Chemnitz Revolte

Angehörige der Subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene bzw. des unstrukturierten rechtsextremistischen Personenpotenzials beteiligten sich im Berichtsjahr sachsenweit insbesondere an Protesten gegen »Christopher Street Day«-Veranstaltungen.

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit bildet einen grundlegenden Bestandteil rechtsextremistischer Ideologie und Agitation. Rechtsextremisten lehnen Diversität im Hinblick auf sexuelle Orientierung sowie Partnerschafts- und Familienmodelle größtenteils ab. Sie sehen Heterosexualität und die damit verbundene traditionelle Kernfamilie als alternativlos und biologisch »natürlich« an. Für sich genommen, ist das Thema »Christopher Street Day« (CSD) keine genuin rechtsextremistische Position, jedoch versuchen Rechtsextremisten, das Thema ideologisch zu besetzen. Sie knüpfen die Ablehnung moderner Geschlechterverständnisse und Familienmodelle an ihr von Rassismus und Chauvinismus geprägtes Weltbild. Dementsprechend wurde im Berichtsjahr innerhalb der rechtsextremistischen Szene auffallend häufig gegen die LGBTQIA+-Community agiert. Die verschiedenen CSD-Veranstaltungen haben Rechtsextremisten als willkommene Gelegenheit genutzt, um ihren nationalistisch geprägten Kulturkampf gegen den vermeintlich »woken Zeitgeist« zu führen. Das hohe Mobilisierungs- und Aktivitätsniveau zeigt, wie anschlussfähig die rechtsextremistische Szene für diese Thematik ist. Diese öffentlichkeitswirksamen und damit von der rechtsextremistischen Szene als »Erfolg« verbuchten Gegenveranstaltungen in ganz Sachsen haben der Szene insgesamt Auftrieb verliehen.

Unter anderem folgende Anti-CSD-Proteste von Rechtsextremisten fanden im Berichtsjahr in Sachsen statt:

  • 01.06.2024 Dresden (94 Teilnehmer)
  • 08.06.2024 Stollberg (Erzgebirgskreis, Kleingruppen)
  • 29.06.2024 Chemnitz (ca. 25 Teilnehmer)
  • 13.07.2024 Pirna (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Einzelpersonen)
  • 10.08.2024 Bautzen (Landkreis Bautzen, 680 Teilnehmer)
  • 17.08.2024 Leipzig (400 Teilnehmer)
  • 25.08.2024 Plauen (Vogtlandkreis, 75 Teilnehmer)
  • 31.08.2024 Zwickau (Landkreis Zwickau, 480 Teilnehmer)
  • 07.09.2024 Freiberg (Landkreis Mittelsachsen, 215 Teilnehmer)
  • 14.09.2024 Riesa (Landkreis Meißen, 30 Teilnehmer)
  • 21.09.2024 Döbeln (Landkreis Mittelsachsen, 192 Teilnehmer)
  • 28.09.2024 Görlitz (Landkreis Görlitz, 460 Teilnehmer)

Einerseits fungierten Angehörige der Subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene dabei als Organisatoren und Anmelder wie bei den Protesten in Bautzen, Leipzig und Görlitz bzw. waren andererseits jeweils Teilnehmer dieser Versammlungen.

Diesen Protesten schlossen sich vor allem die eher aktionistisch orientierten jungen Rechtsextremisten
an. Mobilisiert wurde vorwiegend über verschiedene Plattformen in den sozialen Medien, die gezielt
junge Menschen ansprechen. Dort präsentieren sich rechtsextremistische Akteure als Vertreter einer Gegenkultur zum angeblich »woken Mainstream«, die Themen wie Gendersprache oder Belange der LGBTQIA+-Community ablehnen. In ihren Beiträgen zeichnen diese Akteure als Gegenentwurf ein Männlichkeitsbild, das Stereotype wie Stärke, Härte und Sportlichkeit betont.

Am Beispiel der Anti-CSD-Proteste wird ein bundesweiter Trend zur Bildung rechtsextremistischer Netzwerke unter Jugendlichen deutlich. Man bindet sich nicht mehr an feste Strukturen, sondern kommuniziert in den sozialen Medien. Dort folgen die jungen Menschen von Rechtsextremisten organisierten Gruppen, denen sie unverbindlich angehören und die sie nach Belieben auch wechseln. Mithilfe dieser Social-Media-Präsenzen sollen möglichst niedrigschwellig und unkompliziert Kontakte geknüpft und rechtsextremistisches Gedankengut nach und nach weiterverbreitet werden. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die bundesweit aktiven Gruppierungen Deutsche Jugend Voran (DJV) und Jung und Stark (JS), die der Subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene zuzuordnen sind. Diese sind vor allem in den sozialen Medien aktiv und konnten dort sowohl Aufmerksamkeit als auch Reichweite generieren. Personen aus Sachsen und anderen Bundesländern, die diesen Gruppierungen folgen, beteiligten sich in Sachsen an einzelnen CSD-Protestveranstaltungen.

Zudem beteiligten sich Angehörige der Subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene bzw. des unstrukturierten rechtsextremistischen Personenpotenzials im Berichtsjahr insbesondere in Ostsachsen am sachsenweiten Protestgeschehen zu Themen wie Asyl/Migration und Ukraine-Krieg.

Nachdem der Trend zu Groß- und Mischveranstaltungen, wie beispielsweise dem »Schild und Schwert Festival«, u. a. aufgrund der Corona-Maßnahmen aufgehalten wurde, waren wie im Vorjahr auch im Berichtsjahr keine derartigen Veranstaltungen zu verzeichnen. Groß- und Mischveranstaltungen stellen grundsätzlich zwar eine relevante Finanzierungsquelle für die Szene dar, bergen jedoch zugleich ein hohes finanzielles Risiko und verlangen eine zeitaufwändige Organisation. Im Berichtszeitraum fanden zudem erneut keine rechtsextremistischen Kampfsportveranstaltungen in Sachsen statt. Derartige Veranstaltungen sind in Deutschland wegen des konsequenten Durchgreifens von Behörden mittlerweile einem hohen Verbotsrisiko ausgesetzt, was die Veranstalter offenbar nach wie vor abschreckt.

Darüber hinaus fanden in Sachsen einige kleinere nicht extremistische kommerzielle Kampfsportveranstaltungen statt, an denen sich auch Rechtsextremisten beteiligten. Inwiefern sich die Teilnahme von Rechtsextremisten als Kämpfer an nicht extremistischen Kampfsportveranstaltungen etabliert, bleibt abzuwarten, wird aber seitens des LfV Sachsen angesichts fehlender rechtsextremistischer Turniere als wahrscheinlich erachtet.

Rechtsextremisten sind nach wie vor auch in der sächsischen Fußballfanszene vertreten. Obwohl sie ihre Gesinnung nicht offensiv nach außen tragen, sind sie durchaus bereit, sich eventbezogen zu organisieren und die Öffentlichkeit mit ihrem Auftreten zu provozieren. Im Rahmen der Fußball-EM im Berichtsjahr gab es keine rechtsextremistischen Aktivitäten in Sachsen, die Spiele im Austragungsort Leipzig verliefen insoweit ohne Störungen.

Einzelne, der Subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene im ostsächsischen Raum angehörige Personen sind über entsprechende Kennverhältnisse mit der Neonationalsozialistischen Szene in Ostsachsen mehr oder weniger eng vernetzt. So unterstützen sie sich gegenseitig durch die Teilnahme an Veranstaltungen, wie beispielsweise den »Heldengedenken«, dem sog. »Trauermarsch« in Dresden anlässlich des 13. Februars oder bei rechtsextremistischen Konzerten.

Landkreis Görlitz

Beim Ableger der rockerähnlichen Brigade 8 in Mücka handelt es sich um eines von mehreren »Chaptern« dieser 2012 gegründeten bundesweit bestehenden Gruppierung. Ihre Mitglieder sind gut vernetzt und verfügen über Verbindungen in die bundesweite rechtsextremistische – vor allem Neonationalsozialistische – Szene. Die Brigade 8 unterhielt im Landkreis das zwischenzeitlich aufgelöste Chapter Ostdeutschland, das sich auch Chapter Weisswasser bzw. Chapter Eastside nannte. Die Gruppierung entwickelte sich in Bezug auf die Durchführung von Szeneveranstaltungen im Landkreis Görlitz über die Jahre hinweg zu einer festen, überregional aktiven Größe. In der Folge agierte sie zunehmend selbstbewusster. Dies zeigte sich auch in unverhohlen demonstrierten Sympathien für die inzwischen verbotene Gruppierung Combat 18 sowie auch im offen erkennbaren Auftreten während des »Schild und Schwert«-Festivals in Ostritz 2019.

Nachdem das 2021 von früheren Mitgliedern des Chapter Ostdeutschland nach internen Auseinandersetzungen neu gegründete Brigade 8 Chapter Schlesien seine Strukturen und Aktivitäten wieder festigen und ausbauen konnte, konnte das LfV Sachsen im Berichtsjahr die Durchführung von Veranstaltungen mit den Auftritten von Liedermachern und Bands im Objekt der Gruppierung in Mücka feststellen, jedoch – wie bereits 2023 – in deutlich geringerem Umfang als noch im Jahr 2022. So traten dort beispielsweise am 30. März rechtsextremistische Liedermacher vor ca. 30 Gästen auf.

Mit dem Objekt in Mücka existiert somit weiterhin ein festes Anlauf- und Veranstaltungsobjekt der rechtextremistischen Szene in Sachsen.

Die Mitglieder des Chapter Schlesien nahmen außerdem regelmäßig an Veranstaltungen anderer Brigade 8 Chapter in Sachsen-Anhalt und Brandenburg teil.

Nachdem die Brigade 8 Deutschland mit ihren Chaptern Schlesien, Mittel/Elbe und Spreewald im Jahr 2023 über ihren Telegram-Kanal ihre Auflösung bekannt gab, war im Berichtsjahr festzustellen, dass sich auch weiterhin Personen, die sog. »Kutten« der Brigade 8 trugen, im Objekt in Mücka aufhielten. Das LfV Sachsen geht deshalb weiterhin davon aus, dass es sich bei der im Jahr 2023 veröffentlichten Auflösungserklärung lediglich um eine taktische Erklärung handelte, mit welcher einem Vereinsverbot zuvorgekommen werden sollte.

Mit der Gruppierung Schlesische Jungs Niesky gehört im Landkreis Görlitz eine weitere Gruppierung zur Subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene. Sie nahm am 11. Februar an der Demonstration von Rechtsextremisten in Dresden anlässlich des Gedenkens an die Bombardierung der Landeshauptstadt am 13. Februar 1945 teil.

Zuvor führten die Schlesischen Jungs Niesky am 31. Januar in Niesky ein Gedenken für einen ermordeten SA-Angehörigen durch, bei welchem Blumen niedergelegt und Grablichter aufgestellt wurden.

Ebenfalls zur Subkulturell Geprägten Rechtsextremistischen Szene im Landkreis Görlitz zählt der Verein Nationaler Jugendblock e. V. Zittau (NJB). Er verfügt seit mehreren Jahren über ein Vereinshaus in Zittau, welches für Treffen und Veranstaltungen genutzt wird. So fand dort beispielsweise am 16. November eine Veranstaltung mit ca. 70 Personen statt. Unter den Teilnehmern befanden sich mehrere Mitglieder rechtsextremistischer Bands. In der Aktionsgruppe Zittau organisierte jugendliche Vereinsmitglieder nahmen im Berichtsjahr an rechtsextremistischen Protesten gegen CSD-Veranstaltungen teil, und zwar am 10. August in Bautzen und am 28. September in Görlitz. Dabei führten sie jeweils ein eigenes Transparent mit und berichteten auf den Social-Media-Kanälen der Gruppierung.

An der durch die rechtsextremistische Szene in Görlitz durchgeführten Veranstaltung gegen den CSD am 28. September beteiligten sich ca. 460 Personen überwiegend aus dem sächsischen Raum sowohl aus dem parteiungebundenen als auch dem parteigebundenen Rechtsextremismus, wie die Jungen Nationalisten (JN, Elblandrevolte). Auch hier waren die Teilnehmer erneut auffällig jung. Während der rechtsextremistischen Veranstaltung skandierten die Teilnehmer den Spruch: »HIV, hilf uns doch, Schwule gibt es immer noch!«. Daraufhin wurde die Identität jener Person, die mittels Megaphon zum Mitrufen animierte, festgestellt. Wenig später konnte aus dem Aufzug die Parole »Deutschland erwache« aus dem NS-Sturmlied vernommen werden. Die Staatsanwaltschaft bejahte auch hier eine strafrechtliche Relevanz.

Landkreis Bautzen

Im Landkreis Bautzen ist mit der Gruppierung Urbs Turrium ein neuer Akteur in der Subkulturell Geprägten Rechtsextremistischen Szene aktiv geworden. Im Berichtsjahr beteiligte sich die Gruppierung regelmäßig an den Montagsprotesten in Bautzen und versuchte dabei offensiv, das Protestgeschehen rechtsextremistisch zu beeinflussen, in nicht extremistische Milieus hineinzuwirken und neue Anhänger zu gewinnen. Dabei wurden häufig Parolen wie beispielsweise »Kriminelle Ausländer raus« skandiert.

Zusammen mit der zu den JN gehörenden Gruppierung Elblandrevolte war Urbs Turr ium an der Organisation und Durchführung der rechtsextremistischen Demonstration gegen den CSD unter dem Motto »Gegen Genderpropaganda und Identitätsverwirrung« am 10. August in Bautzen beteiligt. An dem Protest nahmen ca. 680 Personen teil, zahlreiche davon im jugendlichen Alter. Auch Anhänger der rechtsextremistischen Partei Der Dritte Weg beteiligten sich. Zudem war eine überregionale Teilnahme zu verzeichnen. Diese Demonstration kann als ein herausragendes Ereignis in Ostsachsen angesehen werden, welches insbesondere auch der überregionalen Vernetzung der lokalen rechtsextremistischen Szene diente.

Mit dem Jugendblock Bautzen gehört im Landkreis Bautzen eine weitere Gruppierung zur Subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene. Im ersten Halbjahr beteiligte sich diese Gruppierung analog des Vorjahres am montäglichen Protestgeschehen in Bautzen und führte dabei ein Transparent mit der Aufschrift »Wir sind die Jugend ohne Migrationshintergrund« mit. Ferner nahmen Angehörige des Jugendblocks Bautzen am 11. Februar an der Demonstration von Rechtsextremisten in Dresden anlässlich des Gedenkens an die Bombardierung am 13. Februar 1945 teil. Entsprechende Beiträge über diese Aktivitäten wurden auf den Social-Media-Kanälen des Jugendblocks Bautzen veröffentlicht.

Stadt Leipzig

Anlässlich des CSD in Leipzig am 17. August meldete die lokale rechtsextremistische Szene unter dem Motto »stolz, deutsch, national« einen Gegenprotest an und mobilisierte hierfür in den sozialen Medien. Außerdem rief einer der Anmelder des vorausgegangenen CSD-Gegenprotestes in Bautzen zur Teilnahme in Leipzig auf. An der Veranstaltung nahmen schließlich etwa 400 auch überregional angereiste Personen teil, der Großteil von ihnen Jugendliche. Da diese bereits am Leipziger Hauptbahnhof von der Polizei festgesetzt wurden, konnte die Veranstaltung nicht wie geplant stattfinden. Ihren Frust hierüber drückten die Rechtsextremisten auch in den sozialen Medien aus. Während sie den CSD-Gegenprotest in Bautzen (Landkreis Bautzen) noch als Erfolg für sich verbuchen konnten, war dies in Leipzig auch in Bezug auf die Teilnehmerzahl nicht der Fall.

Im Zuge der rechtsextremistischen CSD-Proteste trat die neu gegründete rechtsextremistische Gruppierung Aryan Peoples Resistance (APR) beim CSD-Gegenprotest in Döbeln (Landkreis Mittelsachsen) am 21. September 2024 erstmals öffentlich in Erscheinung. Zuvor nahmen nur einzelne APR-Mitglieder an den entsprechenden Protesten beispielsweise in Leipzig teil. Die Gruppierung versucht über Profile in den sozialen Medien neue Mitglieder zu erreichen und strebt eine Zusammenarbeit mit der ebenfalls neuen rechtsextremistischen Gruppierung SN Sachsen an.

Stadt Dresden

Die SN Sachsen traten ebenfalls im Rahmen der CSD-Proteste ab August als neue Gruppierung in Erscheinung. So beteiligten sich ihre Mitglieder beispielsweise an der Versammlung der Partei Der Dritte Weg unter dem Motto »Homo-Propaganda stoppen – gesunde Familien fördern!« am 31. August in Zwickau sowie am CSD-Protest der Jungen Nationalisten (JN) Sachsen-Anhalt am 14. September in Halle. Über wechselnde Profile in den sozialen Medien versuchte die Gruppierung, neue Mitglieder zu erreichen.

Andere zumeist jugendliche Rechtsextremisten versuchten, die in den sozialen Medien geknüpften Kontakte in realweltliche Aktivitäten umzuwandeln und riefen u. a. zu Treffen im öffentlichen Raum am 3. August und 8. Oktober in Dresden auf. Am 3. August nahmen laut Polizei neun Personen teil, vier davon wurden bereits am Rande des CSD am 13. Juli in Pirna (Landkreis Sächsische Schweiz – Osterzgebirge) von der Polizei kontrolliert. Am 8. Oktober stellte die Polizei 13 Personen fest. Gruppenbilder beider Treffen wurden anschließend über die sozialen Medien verbreitet.

Stadt Chemnitz

Die im Spätsommer neu entstandene Gruppierung Chemnitz Revolte beteiligte sich regelmäßig an den Montagsdemonstrationen in Chemnitz sowie an überregionalen Veranstaltungen der rechtsextremistischen Szene, so beispielsweise am CSD-Gegenprotest am 7. September in Freiberg (Landkreis Mittelsachsen). Die Führungsperson der Chemnitz Revolte meldete ursprünglich auch den Protest gegen den CSD in Leipzig an.

Die Gruppierung führte nach dem Ende der CSD-Proteste eine Veranstaltung unter dem Motto »Lügen gegen Rechte, nicht mit uns!« am 3. Oktober in Hohenstein-Ernstthal (Landkreis Zwickau) durch. Mit diesem neuerlichen Protest richtete sich die Gruppierung gegen eine Gedenkversammlung anlässlich des 25. Todestages von Patrick T., welcher in der Nacht zum 2. Oktober 1999 in Hohenstein- Ernstthal (Landkreis Zwickau) Opfer einer politisch rechts motivierten Straftat wurde. Insgesamt nahmen ca. 100 junge, aktionsorientierte Personen am rechtsextremistischen Gegenprotest teil. Darunter befanden sich neben Angehörigen der regionalen rechtsextremistischen Szene u. a. auch Mitglieder der rechtsextremistischen Gruppierung Deutsche Jugend Voran (DJV) aus Berlin und Brandenburg.
Während des Aufzuges wurden die folgenden rechtsextremistischen Sprechchöre skandiert: »HIV, hilf uns doch, Zecken gibt es immer noch«, »Ganz Deutschland hasst die Antifa« oder »Ob Ost, ob West, nieder mit der roten Pest«. In Anlehnung an die verbotene nationalsozialistische Losung »Deutschland erwache« skandierten die Teilnehmer im Sprechchor mehrfach »Chemnitz erwache«.

Am 19. Oktober beteiligten sich mindestens sechs Mitglieder der Chemnitz Revolte an einer Demonstration unter dem Motto »Gegen Linkspropaganda und Lügen der Antifa« in Berlin-Marzahn.

Damit wandten sich die insbesondere im Rahmen der Proteste gegen die CSD-Veranstaltungen in Erscheinung getretenen jungen und aktionsorientierten Rechtsextremisten nach dem letzten CSD am 28. September in Görlitz (Landkreis Görlitz) umgehend dem »klassischen« rechtsextremistischen Aktionsfeld »Anti-Antifa« zu, um gegen den politischen Gegner auf die Straße zu gehen.

Bis weit in die 2000er-Jahre hinein wurden rechtsextremistische Inhalte jungen Menschen vor allem über Musik vermittelt: Tonträger mit jugendaffiner Musik und Festivals zur Vernetzung der Szene waren die bevorzugten Mittel. Mit der zunehmenden Digitalisierung der Gesellschaft nutzen Rechtsextremisten die Möglichkeiten der sozialen Medien, um ihre verfassungsfeindliche Ideologie mit maximaler Reichweite zu verbreiten. Kinder, Jugendliche und Heranwachsende sind insbesondere über Telegram, Instagram und TikTok zu einer wichtigen Zielgruppe rechtsextremistischer Propaganda geworden, da sie über den virtuellen Raum schnell und quasi jederzeit zu erreichen sind. Die Social- Media-Plattformen sind nah an den Rezeptionsgewohnheiten und der Lebenswelt junger Nutzer ausgerichtet. In den sozialen Medien ist das Unsagbare inzwischen sagbar geworden. Hintergrund hierfür sind die Besonderheiten digitaler Kommunikation, die von zeitlicher, räumlicher und sozialer Entgrenzung, dem Fehlen eines direkten Gegenübers und den algorithmisierten inhaltlichen Zuspitzungen unmoderierter Echokammern gekennzeichnet sind.

Da Jugendliche ihre soziale und politische Identität erst entwickeln müssen, ist der Kontakt mit der rechtsextremistischen Szene risikobehaftet, da diese suggeriert, Halt und Orientierung zu geben. Niedrigschwellig und lebensweltorientiert bietet sie jungen Menschen in den sozialen Medien vermeintlich einfache und nicht zwingend ideologisierte Antworten auf komplizierte Fragen (z. B. Migration, Familie, sexuelle Orientierung, Zukunftsfragen und Genderfragen), was in Zeiten der Orientierungssuche eine starke Resonanz bei dieser Personengruppe erfährt.

Die offenen Kanäle werden von Rechtsextremisten oft als Erstkontakt bzw. Erstzugang zu den Heranwachsenden genutzt, um sie dann in die geschlossenen Chatgruppen zu locken. Dort werden sie mit rechtsextremistischem Gedankengut konfrontiert; Kontakte zu den Jugendlichen werden intensiviert. Rechtsextremistisches Gedankengut findet somit sukzessive Eingang in die »Welt« der Jugendlichen und wird von diesen – mangels politischer und digitaler Kompetenz – als richtig und harmlos empfunden. Radikalisierungsprozessen sind damit Tür und Tor geöffnet.

Mobilisiert über solche Chatgruppen wurden Proteste gegen den CSD im Berichtsjahr als »Event« wahrgenommen. Als Gruppe fühlt man sich stark, zumal man schwarz bekleidet und entsprechend martialisch auftritt. Dies stärkt das Selbstwertgefühl und soll dem politischen Gegner Angst einflößen. Da diese jugendlichen Gruppen event- und aktionsorientiert handeln, sind die Themen für sie grundsätzlich austauschbar. Dies war im Berichtsjahr zu erkennen, als die CSD-Veranstaltungen im Freistaat Sachsen beendet waren und die Gruppierungen umgehend den politischen Gegner als Angriffsfläche für ihre fortdauernden Proteste ausmachten.

Das LfV Sachsen geht davon aus, dass diese Verjüngung in der Subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene angesichts ihrer bereits festzustellenden Dynamik anhalten und sich verfestigen wird. In kürzester Zeit haben sich Netzwerke gebildet, die sich vor allem über die sozialen Medien ausdehnen, das rechtsextremistische Protestgeschehen im Freistaat Sachsen maßgeblich beeinflussen und – bei zunehmender Dynamik – auch entscheidend mitbestimmen werden.

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