PEGIDA
Gründung / Sitz |
Bei der Gruppierung Pegida (»Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes«), die im Oktober 2014 in Dresden gegründet wurde, muss zwischen dem extremistischen Organisationsteam und dem an den Veranstaltungen teilnehmenden extremistischen bzw. nicht extremistischen Personenkreis unterschieden werden. Insbesondere Funktionäre des Organisationsteams, welche zum Teil Vorstandsmitglieder im »Pegida Förderverein e. V.« sind, nehmen maßgeblich Einfluss auf den Willensbildungsprozess und das Aktivitätsniveau von Pegida. |
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Vorsitz Sachsen: | Lutz BACHMANN, Siegfried DÄBRITZ (beide Vorstand im »Pegida Förderverein e. V.«) |
Publikationen / Internetauftritte: | Telegram-Kanäle, Kanäle der Hauptprotagonisten bei X, vk.com, GETTR und BitChute |
Personenpotenzial/ Mitgliederentwicklung |
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Finanzierung | Spenden bei Veranstaltungen bzw. über das Bankkonto des »Pegida Förderverein e. V.« |
Kurzportrait / Ziele |
Pegida versteht sich selbst als »patriotische Bewegung«, welche sich gegen eine vermeintliche Islamisierung Europas stark macht. Es wurden in Dresden und zwischenzeitlich auch seitens des Ablegers in Zittau (Landkreis Görlitz) Veranstaltungen durchgeführt. Dabei war Pegida auch für andere Rechtsextremisten (Zukunft Heimat aus Cottbus, Identitäre Bewegung30, die sächsische AfD) und Einzelakteure aus der neurechten Szene eine wichtige Bühne für die Verbreitung ihrer eigenen verfassungsfeindlichen Ziele. Pegida ist vernetzt mit Rechtsextremisten im Ausland. In der Gesamtschau war die Bestrebung vor allem eine Vernetzungsplattform für die rechtsextremistische Szene in Sachsen. |
Relevante Ereignisse und Entwicklungen 2024 |
Das Veranstaltungsaufkommen blieb auf einem niedrigen Niveau. Kundgebungen in Zittau fanden nicht mehr statt. Pegida kündigte im Herbst 2024 nach zehnjährigem Bestehen an, vorerst keine Versammlungen mehr durchzuführen. |
Am 19. März 2015 wurde der Verein »Pegida Förderverein e. V.« beim Amtsgericht Dresden eingetragen. Er wird vertreten durch den Vorstand, dessen Mitglieder u. a. Lutz BACHMANN und Siegfried DÄBRITZ sind. Zu Pegida wird über BACHMANN und DÄBRITZ hinaus unter anderem auch Wolfgang TAUFKIRCH gezählt, der für den Personenzusammenschluss agiert und ihn damit nachdrücklich unterstützt. Hinzu kommt Thomas WALDE, der bei Veranstaltungen in Dresden seit Ende August 2020 mitunter Versammlungsleiter bzw. stellvertretender Versammlungsleiter ist. Des Weiteren organisierte er auch bis 2023 die Veranstaltungen in Zittau (Landkreis Görlitz). Pegida wurde im Mai 2021 durch das LfV Sachsen als erwiesene rechtsextremistische Bestrebung eingestuft.
Der Personenzusammenschluss Pegida gab sich im Verlauf seines Bestehens eine immer stärkere rechtsextremistische Ausrichtung. In aller Öffentlichkeit wurden unverhohlen rechtsextremistische Positionen propagiert, die mit dem Wertekanon des Grundgesetzes gänzlich unvereinbar sind. Dazu gehörte, dass der Parlamentarismus permanent verächtlich gemacht und das Rechtsstaatsprinzip abgelehnt wurden. Außerdem fanden sich in den Redebeiträgen regelmäßig minderheitenfeindliche und muslimfeindliche Äußerungen.
Neben einer fremden – und insbesondere islamfeindlichen Ideologie, die z. B. durch die pauschalisierende Kriminalisierung von Personen mit Migrationshintergrund deutlich wurde, wurden Beiträge verbreitet, die an die antisemitisch konnotierte Verschwörungstheorie zum »Great Reset« bzw. »Großen Austausch« angelehnt waren. Insbesondere in diesem Zusammenhang zeigten sich Verstöße gegen die grundgesetzlich verbriefte Garantie der Menschenwürde.
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zeigten sich sowohl in Reden auf Veranstaltungen als auch in Beiträgen in den sozialen Medien. So bezeichnete TAUFKIRCH während der Pegida-Kundgebung am 1. Juli Migranten als Messer-Attentäter und »Fleischereifachkräfte aus den muslimischen Kulturen«. Damit stellte er bewusst einen Zusammenhang zwischen Gewaltverbrechen und der Religion Islam her und kriminalisierte auf diese Weise alle dieser Religion Zugehörigen.
Ebenso behauptete BACHMANN im Rahmen der gleichen Veranstaltung, dass sich jüngere Menschen in Deutschland derzeit in einem »Überlebenskampf« mit ausländischen und arabischen Jugendlichen befänden. Laut BACHMANN stünden »diese Kinder […] jeden Tag in den Schulen an der Front«. Damit stilisierte er Jugendliche mit Zuwanderungsgeschichte als existenzielle Bedrohung für das Leben deutscher Jugendlicher und zeichnete das Zerrbild einer bürgerkriegsähnlichen Bedrohungslage. Weiterhin verbreiteten Pegida-Akteure und Gastredner regelmäßig klassisch rechtsextremistische sowie verschwörungstheoretische Narrative. So wurde zum Beispiel am 20. Oktober die Forderung erhoben, Deutschland müsse »endlich vollständige Souveränität« erlangen, womit das im rechtsextremistischen Spektrum weitverbreitete Narrativ bedient wurde, wonach Deutschland nach wie vor von den USA besetzt sei.
Pegida verfolgte zielgerichtet die Strategie, mit extremistischer Programmatik immer tiefer in die Mitte der Gesellschaft einzudringen und einen ideologischen Schulterschluss zwischen dem rechtsextremistischen Klientel und den politisch indifferenten Teilen der Gesellschaft herbeizuführen.
Durch das Bereitstellen der Pegida-Bühne für rechtsextremistische (Gast-)Redner fungierte Pegida wie ein »Scharnier« zwischen Extremisten und Nichtextremisten. Einer weiteren Entgrenzung des Rechtsextremismus und einem Übergreifen verfassungsfeindlicher Positionen auf die bürgerliche Mehrheitsgesellschaft wurde dadurch Vorschub geleistet.
Pegida erfüllte eine wichtige Netzwerkfunktion insbesondere in der neurechten Szene. Es bestanden enge Beziehungen zu anderen rechtsextremistischen Gruppierungen, wie der Identitären Bewegung und Zukunft Heimat aus Cottbus. Zudem sympathisierten die Akteure in Sachsen offen mit dem hiesigen rechtsextremistischen AfD-Landesverband. Dies wurde auch im Berichtsjahr im Zuge entsprechender Auftritte hochrangiger AfD-Funktionäre bei Pegida-Veranstaltungen sichtbar. Pegida warb zudem im Vorfeld der Landtagswahl für die Wahl dieser Partei. Auch die rechtsextremistischen Freien Sachsen konnten mithilfe ihrer Informationsstände bei Pegida-Kundgebungen ihre verfassungsfeindliche Ideologie verbreiten.
Insbesondere durch die Übertragung der Pegida-Veranstaltungen im Livestream und die spätere Bereitstellung der Videos auf verschiedenen Online-Plattformen wurde eine bundesweite Reichweite angestrebt und auch erzielt. Videos von Pegida-Kundgebungen erreichten mitunter 60.000 Aufrufe.
Nachdem bereits das Jahr 2023 für Pegida aufgrund einer kaum nennenswerten Anzahl von Veranstaltungen ein Tiefpunkt war, setzte sich diese Entwicklung im Berichtsjahr fort. Nur bei der laut Pegida letzten Kundgebung im Oktober gelang es diesen, eine niedrige vierstellige Zahl an Anhängern zu mobilisieren. BACHMANN hatte zuvor in einer Videobotschaft das Ende der Versammlungen angekündigt und begründete diese Entscheidung mit finanziellen, organisatorischen und gesundheitlichen Problemen. BACHMANN kündigte jedoch gleichzeitig »neue Formate« an, welche online stattfinden sollen. Des Weiteren behielt er sich grundsätzlich die Option offen, irgendwann wieder Demonstrationen in Dresden zu initiieren.
Im Berichtszeitraum fanden in Dresden sechs Veranstaltungen statt:
Datum | Teilnehmer |
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29.01.2024 | ca. 850 |
04.03.2024 | ca. 650 |
15.04.2024 | ca. 600 |
20.05.2024 | ca. 480 |
01.07.2024 | ca. 520 |
20.10.2024 | ca. 1.000 |
Während der AfD-Landesvorsitzende Jörg URBAN im Jahr 2023 noch mehrmals als Redner auf der Bühne von Pegida stand, mied der sächsische AfD-Landesverband im Berichtsjahr Auftritte bei Pegida. Ursächlich dafür war wohl ein Spannungsverhältnis zwischen Pegida und der Partei. Dieses trat insbesondere bei der für den 31. August geplanten Pegida-Kundgebung hervor. Ursprünglich sollten in deren Rahmen Vertreter der Jungen Alternative (JA) aus Brandenburg als Redner auftreten. BACHMANN beschuldigte den sächsischen AfD-Landesvorstand, den JA-Vertretern ein »Auftrittsverbot« erteilt zu haben. Dennoch warb BACHMANN bei seinen Anhängern für die Wahl der AfD zur Landtagswahl, gewiss auch vor dem Hintergrund, dass wiederholt Funktionäre anderer AfD-Landesverbände als Gastredner bei Pegida auftraten.
Pegida war ein wichtiger Akteur im Bereich der »Neuen Rechten«, führte in den zurückliegenden zehn Jahren allein in Dresden immerhin 250 Versammlungen durch. Thematisch fokussierte sich die Gruppierung insbesondere auf die Asyl- und Migrationspolitik in Deutschland und Europa sowie auf die Folgen des Ukraine-Krieges. Vor allem durch die permanente Verbreitung von Meldungen über Straftaten von Personen mit Migrationshintergrund wurde beständig eine feindliche Stimmung gegen diese Personengruppe erzeugt. Außerdem wurden politische Institutionen und Entscheidungsträger diffamiert und verächtlich gemacht.
Während bei Pegida-Veranstaltungen in den ersten Jahren hohe vierstellige Teilnehmerzahlen unter Beteiligung der gesellschaftlichen Mitte erzielt werden konnten, waren die Teilnehmerzahlen mit Beginn der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden staatlichen Maßnahmen rückläufig. Hintergrund dürften zum einen zunehmende konkurrierende Parallelveranstaltungen sowie zum anderen die stärkere verbale Radikalisierung der Pegida-Akteure gewesen sein. Das anhaltend schwache Mobilisierungspotenzial dürfte schlussendlich ursächlich für die Entscheidung gewesen sein, zukünftig keine »klassischen« Kundgebungen mehr durchzuführen und stattdessen auf »neue Formate« zu setzen.
Es bleibt abzuwarten, ob und wie diese wirklich umgesetzt werden und welche Reichweite diese erzielen werden.