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Aktivitäten ausländischer Nachrichtendienste

Akteure und Schwerpunkte

Auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sind zahlreiche ausländische Nachrichtendienste mit ganz unterschiedlichen Interessen aktiv. Hoch entwickelte Staaten wollen mithilfe ihrer Nachrichtendienste vor allem im politischen und wirtschaftlichen Wettbewerb weiter Schritt halten oder sogar Wettbewerbsvorteile erzielen. Krisenländern geht es beim Einsatz ihrer Nachrichtendienste in politischer Hinsicht um die Aufklärung und Unterwanderung von Oppositionsgruppen, deren Mitglieder in Deutschland leben. In wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht entwickeln diese Länder vor allem proliferationsrelevante Aktivitäten.

Die Nachrichtendienste der Russischen Föderation waren im Jahr 2022 weiterhin von großer Bedeutung für die russische Staatsführung. Ihre Bemühungen erstreckten sich sowohl auf gesellschaftliche und politische als auch auf wirtschaftliche und wissenschaftliche Bereiche.

Vor allem der russische zivile Auslandsnachrichtendienst SWR126, der militärische Auslandsnachrichtendienst GRU127 und der Inlandsnachrichtendienst FSB128 waren gegen Deutschland aktiv. Nachrichtendienstliche Aktivitäten gingen mit einer aggressiven russischen Außenpolitik einher, die sich neben der fortgesetzt völkerrechtswidrigen Besetzung der Krim in dem kriegerischen Angriff auf die Ukraine deutlich zeigte.

Aufklärungsschwerpunkte sind dabei die deutsche Haltung zu Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Finanz- und Energiepolitik, aber auch die Rolle Deutschlands in der NATO.

Im Fokus der Aufklärungsmaßnahmen standen, neben sog. Denkfabriken, Nichtregierungsorganisationen und Vereinen mit Bezügen zu Russland oder anderen osteuropäischen Staaten, insbesondere politische Mandatsträger. Dies spiegelt sich in der anhaltenden Cyberangriffskampagne „Ghostwriter“ wider, welche dem russischen Militärgeheimdienst GRU zugeschrieben wird.

Die russische Wirtschaft trotz umfangreicher Sanktionen u. a. mit neuem Know-how zu versorgen, ist ein weiteres Betätigungsfeld russischer Nachrichtendienste oder mutmaßlich in deren Auftrag handelnder Akteure. Viele in Deutschland produzierte Hochtechnologieprodukte sind militärisch wie auch zivil nutzbar. Es handelt sich dabei um sog. Dual-Use-Güter, das heißt, hier kann ein militärischer Verwendungszweck nicht ausgeschlossen werden. Im Zusammenhang mit einer mutmaßlichen Proliferation informierte der Generalbundesanwalt im Mai 2021 über die Festnahme eines sächsischen Geschäftsmannes wegen des dringenden Verdachts gewerbsmäßiger Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz. Die Bundesanwaltschaft erhob am 9. Februar 2022 vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Dresden Anklage gegen den Beschuldigten. Demnach bestand der hinreichende Tatverdacht eines Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und darüber hinaus des gewerbsmäßigen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz. Am 15. Juli verurteilte der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Dresden den Angeklagten wegen der gewerbsmäßigen Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck ohne Genehmigung nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 vom 5. Mai 2009 in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten.
Vor diesem Hintergrund war und ist der Freistaat Sachsen als Bestandteil der deutschen Politiklandschaft und als innovativer und leistungsstarker Forschungs- und Wirtschaftsstandort in Deutschland als ein relevantes Ziel russischer Nachrichtendienste anzusehen.

© LfV Sachsen

Die Volksrepublik China setzt ihre Nachrichtendienste zur Informationsgewinnung in Politik, Militär, Wirtschaft und Wissenschaft ein, um mithilfe gezielter Wirtschaftsspionage der Erreichung industriepolitischer Ziele näher zu kommen. Dabei wird angestrebt, strategische Vorteile zu gewinnen und die eigenen wirtschaftlichen Interessen zu fördern. Nach einer Studie des „Centers for Security and Emerging Technology“ (CSET) der Universität von Georgetown (USA) existieren in China allein 27 staatlich geförderte Programme, die sich auf den Technologietransfer konzentrieren. Mit der Initiative „Made in China 2025“ will die chinesische Regierung die Volksrepublik „zur globalen Anführerin der vierten industriellen Revolution“ machen. Der Know-how-Bedarf in bestimmten Bereichen ist nicht zuletzt durch die Sanktionen der USA gegenüber China gestiegen. Umso mehr stehen vor allem innovative deutsche – und somit auch sächsische – Unternehmen und Hochschuleinrichtungen mit ihren Spitzentechnologien im Blickfeld chinesischer Nachrichtendienste. China investiert weiter in den Ausbau einer flächendeckenden Kommunikations- und Internetüberwachung. Für die erforderlichen Maßnahmen verfügen die chinesischen Nachrichtendienste über eine starke Personalausstattung und umfangreiche rechtliche Befugnisse. Die verschiedenen nachrichtendienstlichen Maßnahmen werden durch das Ministerium für Staatssicherheit (Ministry of State Security – MSS) organisiert. Die Mitarbeiter der Nachrichtendienste sind an den amtlichen oder halbamtlichen Vertretungen in der Bundesrepublik Deutschland (sog. Legalresidenturen) präsent und oft als Diplomaten oder Journalisten getarnt. Auch der militärische Nachrichtendienst (Military Intelligence Department – MID) und das Ministerium für öffentliche Sicherheit (Ministry of Public Security – MPS) als Leitungsebene der Polizei führten Aufklärungsmaßnahmen gegen Deutschland durch.

China profitiert dabei von Schwachstellen und Unkenntnis auf Seiten seiner Aufklärungsziele in sächsischen Kommunen, Hochschulen und Industriebetrieben. Informationsdefizite, das Konkurrieren um chinesische Investitionen, fehlendes Problembewusstsein und unzureichende soziale Kontrolle ermöglichen chinesischen Akteuren, welche sich z. B. als Geschäftsreisende oder Studenten gerieren, die Abschöpfung von Informationen oder sogar den Erwerb von Industriebeteiligungen.133

Ein weiterer nachrichtendienstlicher Schwerpunkt ist das Ausspähen und die Unterwanderung von in Deutschland lebenden oppositionellen Kräften, die von der chinesischen Regierung unter der abwertenden Bezeichnung „Fünf Gifte“ zusammengefasst werden. Verstärkte innerstaatliche Konflikte mit Oppositionellen und nationalen Minderheiten in einigen Provinzen werden in chinesischen Sicherheitskreisen als wachsende Bedrohung der staatlichen Sicherheit wahrgenommen. Da sich im Freistaat Sachsen Angehörige der chinesischen Opposition aufhalten, ist davon auszugehen, dass chinesische Nachrichtendienste hier ebenfalls entsprechende Aktivitäten entfalten, wenngleich es für den Berichtszeitraum diesbezüglich keinen konkreten Hinweis gab.

Im Rahmen einer sog. „360°-Bearbeitung“ in der Spionageabwehr wird allen tatsächlichen Anhaltspunkten für sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich des Grundgesetzes für eine fremde Macht nachgegangen.

So ist für den türkischen In- und Auslandsnachrichtendienst Millî İstihbarat Teşkilâtı (MIT) Deutschland eines der vorrangigen Ausforschungsziele außerhalb der Türkei. Ein erhebliches nachrichtendienstliches Interesse besteht an Organisationen, die in der Türkei als extremistisch oder terroristisch eingestuft sind, sowie an Vereinigungen und Einzelpersonen (beispielsweise türkische Einwanderer oder hier lebende Flüchtlinge), die in tatsächlicher oder mutmaßlicher Opposition zur gegenwärtigen türkischen Regierung stehen. Insoweit besteht der Verdacht, dass der türkische Nachrichtendienst auch im Freistaat Sachsen aktiv ist, wenngleich es im Berichtszeitraum keine konkreten Hinweise auf eine tatsächliche Betroffenheit gab.

Ein Schwerpunkt iranischer Nachrichtendienste stellt die Beschaffung von Informationen und Produkten aus den Bereichen Wirtschaft und Wissenschaft dar. Im Rahmen der Proliferationsbekämpfung wurde entsprechenden Hinweisen nachgegangen, eine sächsische Betroffenheit bestätigte sich letztendlich im Berichtszeitraum nicht. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit der iranischen Nachrichtendienste ist die Ausspähung und Bekämpfung oppositioneller Bewegungen und Akteure im In- und Ausland.

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